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Zunehmende Armut, Ausgrenzung und Prekarisierung verschärfen die soziale Frage. Am deutlichsten wird dies in großen Städten wie in Hamburg sichtbar. Auf der einen Seite verfestigen sich Armut und Ausgrenzung auf einem stark abgesunkenen Niveau der sozialpolitischen Absicherung, auf der anderen Seite wächst der Reichtum. Arbeitslosigkeit und atypische Beschäftigung, die nach wie vor in erster Linie Geringqualifizierte oder Migrantinnen und Migranten treffen, erreichen zunehmend auch das gesellschaftliche Mittelfeld und sorgen dort für ein von Abstiegsängsten und Verunsicherungen geprägtes soziales Klima. Entsolidarisierungstendenzen sind die Folge. Besserverdienende wollen Steuerentlastungen, die verunsicherte Mittelschicht reagiert mit Ressentiments und Abgrenzung nach unten, getrieben von einer verselbständigten Finanzwirtschaft hat ein Klassenkampf von oben eingesetzt. Diese Entwicklungen spiegeln sich auch in der Zunahme diskriminierender Zwischentöne im öffentlichen Diskurs über Armut und Ausgrenzung, befördert durch eine Sozialpolitik, die einseitig auf Aktivierung setzt. Im Zuge dieser Veränderungen werden die Stimmen derjenigen zahlreicher, die die Verantwortung für Armut und Ausgrenzung den Betroffenen selbst zuschreiben wollen. Arme gelten dann als „selbst schuld“ und „faul“. Ausgrenzung wird so ideologisch noch zementiert.
In urbanen Ballungsräumen wie in Hamburg haben Ausgrenzungsprozesse aufgrund von Arbeitslosigkeit und Armut zudem eine sozialräumliche Dynamik: der Abstand zwischen prosperierenden Vierteln auf der einen Seite und benachteiligenden Quartieren auf der anderen Seite nimmt zu. Diese wachsende Ungleichheit schränkt die Chancen politischer, sozialer und kultureller Teilhabe benachteiligter Gruppen in den ärmeren Quartieren deutlich ein und untergräbt die Demokratie. Es entstehen Lebenslagen und Orte sozialer Exklusion.
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In der Hamburger Öffentlichkeit werden die Themen Armut und Ausgrenzung zu wenig beachtet. Und wenn die damit verbundenen problematischen Entwicklungen aufgegriffen werden, geschieht dies häufig in einer die Betroffenen diskriminierenden Weise. Vor diesem Hintergrund halten wir es für notwendig, Prozesse der Verarmung, Ausgrenzung und Segregation zum Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzung zu machen und zugleich nach konkreten Strategien zur Bekämpfung der Armut und zur Förderung von Teilhabe und Integration zu fragen. Die Arbeitsgemeinschaft Soziales Hamburg hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, eine längerfristige Debatte über Spaltungsprozesse zu initiieren, die Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit kontinuierlich auf die Probleme der sozialen Entwicklung in der Stadt aufmerksam macht und das Thema der sozialen Spaltung so auf der Agenda der Stadt Öffentlichkeit hält. Die Arbeitsgemeinschaft tritt ein für mehr soziale Gerechtigkeit und damit auch für eine bessere soziale Integration aller. Sie orientiert sich am Leitbild einer sozial gerechten Stadt, die allen BewohnerInnen Möglichkeiten der politischen und sozialen Teilhabe eröffnet und sie zur Mitwirkung bei der Gestaltung ihrer Stadt einlädt. Die Arbeitsgemeinschaft hält es dabei für eine zentrale Aufgabe von stadtpolitischen Interventionen, die Bewohner zu ermutigen, ihre Sichtweisen, Erfahrungen und Kompetenzen einzubringen und ihnen Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Gestaltung ihrer urbanen Lebensräume zu eröffnen. Debatten über soziale Gerechtigkeit und die erforderliche Gleichheit von Lebenschancen sind stets kontrovers. Deshalb versteht sich die Arbeitsgemeinschaft auch als eine Plattform, die Auseinandersetzungen ermöglicht und zugleich jenen Stimmen Raum geben möchte, die im Allgemeinen nur schwer gehört werden.
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Die Arbeitsgemeinschaft Soziales Hamburg besteht seit Herbst 2009. Sie versteht sich als eine unabhängige zivilgesellschaftliche Stimme. Ihre Aktivitäten werden von der Evangelischen Akademie der Nordkirche koordiniert. Die zentrale Aktivität ist eine jährliche Konferenz zu Fragen der sozialen Spaltung, die sich an eine breite Fachöffentlichkeit wendet, zugleich aber auch Resonanz in der Medienöffentlichkeit anstrebt. Die Konferenzen und ggf. andere Veranstaltungsformate sollen (a) Befunde aus Wissenschaft und Praxis zur Frage der sozialen Polarisierung in Hamburg präsentieren, (b) thematische Schwerpunkte herausgreifen und vertiefen, (c) Initiativen, Ideen, Projekte und Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut und zur Förderung von Teilhabe vorstellen und Potenziale deutlich machen, die weiter entwickelt werden können.
Zur AG Soziales Hamburg gehören: Die Evangelische Akademie der Nordkirche, die Arbeitsgebiete Stadt- und Regionalsoziologie sowie Stadtentwicklung der HafenCity Universität Hamburg, das Department für Soziale Arbeit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt der Nordkirche, die Lawaetz-Stiftung und die Universität Hamburg, Fachbereich Sozialökonomie.